Energieeffizienz in der Reinraumtechnik: Was der Entwurf der VDI 2083‑4.2 jetzt konkret bringt
Warum Energieeffizienz im Reinraum jetzt Chefsache ist
Reinräume benötigen große, hochwertig aufbereitete Luftmengen sowie konstante Temperatur‑ und Feuchtebedingungen – deshalb liegen ihre Verbräuche weit über denen von Wohn‑ oder Verwaltungsgebäuden; eine Reinraum‑Lüftungsanlage kann energetisch sogar in der Größenordnung von bis zu 200 modernen Einfamilienhäusern liegen. Gleichzeitig steigen Energiekosten und Klimaziele verschärfen die Rahmenbedingungen.
Was die VDI 2083‑4.2 (Entwurf 07/2025) abdeckt
Der Entwurf fokussiert die Energieeffizienz der Lüftungs‑ und Klimatechnik inklusive aller Einflüsse aus Prozessen (Wärme, Feuchte, Partikel), ohne jedoch den Prozessenergiebedarf selbst zu bewerten. Für Betreiber bedeutet das: klare Leitplanken, um bedarfsgerechte Reinluftversorgung und energiearme Konditionierung systematisch zu kombinieren.
Der neue Prozess: Bewertung und Steigerung der Energieeffizienz
Die Richtlinie strukturiert den Weg in vier Schritten – anwendbar auf Neu‑/Umbauten und Bestandsanlagen:
- Energie‑ & Betriebsdatenerfassung: Datenbasis schaffen (idealerweise via EMS auf Basis vorhandener Gebäudeautomation).
- Soll‑Ist‑Vergleich (witterungsbereinigt): Anlagen‑Simulation (Soll) gegen gemessenen Betrieb (Ist) – getrennt nach Energiearten (Heizen, Kühlen, Elektrisch).
- Schwachstellenanalyse & Maßnahmen: Regelungs‑, Lüftungs‑ und Reinraumtechnik gemeinsam betrachten, priorisiert umsetzen.
- Kontinuierliches Monitoring: Wirksamkeit nachweisen, Kennzahlen aufbauen, Benchmarks bilden (z. B. kWh/m³/h Außenluft; kWh/m³ Raumvolumen; kWh/m² Grundfläche).
Tipp: Die VDI-Richtlinie empfiehlt, die Energie- und Betriebsdatenerfassung bereits in der Planung vorzusehen – so stehen alle relevanten Sensoren und Datenpunkte von Anfang zur Verfügung.
Energieeffizientes Design – die wichtigsten Hebel
Die Richtlinie listet konkrete Stellschrauben, u. a.:
- Räume & Volumina minimieren, Bereiche mit höchsten Anforderungen abtrennen.
- Außenluftbedarf reduzieren und Wärmerückgewinnung nutzen; hoher Umluftanteil spart Aufbereitungsenergie.
- Druckverluste senken (z. B. durch geeignete Filter).
- Luftmengen an reale Lasten koppeln (Kontaminationsquellen, Wärmelasten).
- Toleranzbänder bei Temperatur/Feuchte möglichst groß auslegen.
- Dichtheit bedarfsgerecht festlegen und prüfen (z. B. nach VDI 2083‑19), um Verluste zu begrenzen – eine „zu hohe Dichtheit“ kann regelungstechnisch jedoch auch Nachteile haben; die Klasse ist anwendungsbezogen zu wählen.
- Reduzierte Betriebsarten vorsehen (z. B. in produktionsfreien Zeiten), risikobasiert testen (Runter‑/Hochfahren).
- Kontaminationsquellen organisatorisch/konzeptionell minimieren (z. B. Abführung am Entstehungsort).
Energetisch empfohlenes Lüftungskonzept: Ein Zentralgerät konditioniert nur den Mindest‑Außenluftvolumenstrom für die Druckhaltung (mit Wärmerückgewinnung), FFU‑Umluftgeräte übernehmen Luftwechsel, Filtration und ggf. Kühlung. Die Trennung von thermodynamischer (Außenluft) und reinraumtechnischer Luftaufbereitung (Partikelreinheit) senkt den Gesamtenergiebedarf.
Bonus‑Hebel Dichtheit & Absenkbetrieb: Zur Vermeidung von unnötig hohen Verlusten der aufwendig konditionierten Reinluft durch Leckagen werden Reinräume auf Dichtheit nach VDI 2083-19 geprüft. Definierte dichte Reinräume sorgen für enorme Energieeinsparpotenziale – auch im reduzierten Betrieb.
Energieeffizienter Betrieb – aus Daten werden Einsparungen
In der Praxis fehlen zur Inbetriebnahme häufig Zeit und Fokus für das energieoptimale Einregeln. Die VDI-Richtlinie fordert deshalb die energetische Betriebsoptimierung (eBO) auf Basis eines Energiemanagementsystems. Zentral ist der witterungsbereinigte Soll‑Ist‑Vergleich (Simulation vs. Messung). Ergebnislücken zeigen das Einsparpotenzial – anschließend Maßnahmen planen, umsetzen, überwachen.
Praxisbeispiel: 24 % weniger Energie – über 130.000 € pro Jahr gespart
In einer Pharma‑Produktion wurden vier Anlagen analysiert und die Luftwechsel abgesenkt – Ergebnis: 24 % Energieeinsparung ohne bauliche Änderungen; über 130.000 € pro Jahr wurden so eingespart. Bereits zuvor hatte eine regelungstechnische Optimierung zusätzliche 20 % Einsparung gebracht. Nach der Umsetzung wurde der Bereich qualifiziert und gezeigt, dass alle Reinraum-Parameter sich innerhalb der Akzeptanzkriterien befinden.
Was heißt das für GMP‑Bereiche? (Annex 1)
Im GMP‑Umfeld lässt sich Energieeffizienz mit Compliance verbinden: Der Annex 1 (2022) erlaubt abweichende TAV‑Geschwindigkeiten, sofern wissenschaftlich begründet (CCS) und mit der Strömungsvisualisierung korreliert – ein wichtiger Spielraum für einen energiesparenden Betrieb. Gleichzeitig gilt: Visualisierung und Geschwindigkeitsmessung müssen zusammenpassen, Messpunkte sind sinnvoll festzulegen. Für die Messung auf Arbeitshöhe liefert STZ EURO eine praxisnahe Auslegung der Regelwerke und der Messmethodik.
Checkliste: Schnellstart zur VDI‑konformen Energieoptimierung
- Benutzeranforderungen kritisch prüfen und Toleranzen nicht enger als nötig setzen (luftwechselreduzierende Maßnahmen b erücksichtigen)
- Energieeffiziente Planung – energetisch bestes Lüftungs- und Reinraumkonzept aufstellen
- Dichtheit der Reinräume und reduzierten Betrieb der Lüftungsanlage prüfen
- Datenpunkte definieren, um Sensorik zur Erfassung und Überwachung zu installieren
- Überprüfung der in Betrieb befindlichen Anlage durch Simulation des Soll-Zustandes und Abgleich mit dem Ist-Zustand
- Schwachstellen analysieren und Maßnahmen zur Verbesserung definieren
- Wirksamkeit belegen (kontinuierliches Monitoring, Benchmarks, Audit-fähige Nachweise)
Autor: Benjamin Pfändler, Geschäftsleitung STZ EURO – aktives Mitglied im Richtliniengremium zur VDI 2083-4.2 und Leiter des Nachwuchses im VDIni-Club Ortenau.
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